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Teil 2 – Weitere eindeutige Schadsymptome und ihre Bedeutung für die Baumstatik
Veröffentlicht in STADT UND GRÜN, Heft 9 (2000), S. 625-633, Patzer-Verlag
In Teil 1 wurde das wichtigste eindeutige Schadsymptom, Pilzfruchtkörper verschiedener holzabbauender Gattungen/Arten, sowie ihre Bedeutung für die Baumstatik, vorgestellt. In diesem 2. Teil des Aufsatzes werden die sieben anderen eindeutigen Schadsymptome in ihrer Bedeutung für die Baumstatik beschrieben.
Vorhersehbares Baumversagen läßt sich bei Beachtung der nachfolgenden acht eindeutigen Schadsymptome weitgehend ausschließen.
- Pilzfruchtkörper holzabbauender Arten (siehe Teil 1),
- fäulebedingte Einwallungen / abgestorbene Rindenpartien,
- tiefreichende Höhlungen,
- V-förmige Vergabelungen,
- angebrochene Äste oder Stämme,
- verlassene Spechthöhlen,
- Totäste und
- stammnahe, konzentrisch verlaufende und aufklaffende Bodenrisse.
Ein eindeutiges Schadsymptom ist stets ein sicherer Hinweis auf einen statikrelevanten Schaden. Es steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem verkehrsgefährdenden Defekt und darf nicht übersehen werden. Es bedeutet jedoch nicht automatisch Kipp-/Bruchgefahr. Seine Gefährlichkeit kann anhand von verschiedenen Ausprägungen der Baumgestalt genauer bestimmt werden. Dazu müssen die Sicherheitsreserven des Baumes eingeschätzt sowie -je nach der Art des Schadens- seine Reaktion auf den Holzabbau festgestellt werden. Daneben können hinweisende Symptome/Anzeichen auf statikrelevante Probleme deuten. Zumeist sind sie allerdings hinsichtlich der Stand-/Bruchsicherheit ohne Belang. Auf die seltenen Ausnahmen wird im Text des 3. Teiles hingewiesen.
Baumversagen ist nicht immer vorhersehbar. Es können sowohl intakte Bäume versagen als auch Bäume mit Vorschäden, die bei der Sichtkontrolle nicht feststellbar waren. Insbesondere statikrelevante Wurzelschäden entziehen sich dem Einblick des Baumkontrolleurs. Das Erscheinungsbild der Krone ist einige Jahre nach Starkwurzelkappungen ein trügerischer Ratgeber. Neugebildete Adventivwurzeln sorgen für eine grüne Baumkrone und stellen allmählich das biologische Gleichgewicht des Baumlebewesens wieder her, nicht aber die Statik.
2. Fäulebedingte Einwallungen / abgestorbene Rindenpartien
Stockfäulen stellen die wichtigste Problematik für die Verkehrssicherheit von Bäumen dar. Der Fäulefortschritt vieler wurzelbürtiger Schadpilze dehnt sich in fortgeschrittenem Stadium vom Wurzelstock ausgehend im Stamm aufwärts und von den zentralen Stammbereichen zum Stammantel aus. Dort kann der Pilz den Splint durchwachsen, äußerlich zeigen sich dann erste Schäden im Bereich zwischen den Wurzelanläufen. In der Folge bildet sich eine Einwallung, da die benachbarten lebenden Stammbereiche weiteren Dickenzuwachs aufweisen, der abgestorbene nicht. Mit dem Fäulefortschritt in die Höhe wird die Einwallung immer länger. Außer am Stammfuß können fäulebedingte Einwallungen auch an anderen Baumteilen auftreten.
Fäulebedingt abgestorbene Rindenpartien sind nicht nur auf Einwallungen beschränkt. Manchmal sind großflächig ganze Stammbereiche einschließlich der Wurzelanläufe abgestorben.
2.1 Erkennungsmöglichkeiten
- Streifenförmig ausgebliebener Dickenzuwachs (Einwallung),
- großflächiges Wachstumsdefizit in der Form einer breiten Einbuchtung am Stammfuß,
- fehlende helle Zuwachszonen zwischen den Borkenplatten,
- Ausbildung von quer verlaufenden durchgehenden Rissen auf der Borke,
- gegebenenfalls durchgewachsene Pilzfruchtkörper.
Manchmal weisen Überwallungswülste, die sich ohne eine äußerlich erkennbare Schädigung entwickelt haben, auf abgestorbene Rindenpartien und ausgedehnte Fäulen hin.
Ein weiterer Hinweis auf eine weit fortgeschrittene Stockfäule ist partieller übermäßiger Dickenzuwachs seitlich der Einwallungen, erkennbar an dem deutlichen Überwiegen der hellen Zuwachszonen zwischen den Borkenplatten. Durch den Funktionsverlust abgetöteter peripherer Stammbereiche muß der Baum die Funktionen des Stammholzes auf die noch intakten Bereiche konzentrieren. Diese Form des partiellen Kompensationswachstums kann besonders häufig und ausgeprägt bei stark ausgefaulten Linden mit weit fortgeschrittenem Befall durch Lackporlinge oder Brandkrustenpilz, sowie auch an anderen zerstreutporigen Baumarten, beobachtet werden.
2.2 Verwechselungsmöglichkeiten
Natürliche Einwallungen kommen an allen Baumarten vor allem in der Altersphase zwischen den Wurzelanläufen und darüber hinaus vor. Eine klare Unterscheidung zwischen fäulebedingten und nicht fäulebedingten Einwallungen ist zumindest auf den ersten Blick nur mit Erfahrung möglich. Im Zweifelsfall kann die Funktionsprüfung mit dem Stechbeitel oder ähnlichem Klarheit bringen.
Insbesondere an alten Roßkastanien und Rotbuchen können oftmals gedrehte rippenartig geformte Stämme mit Einwallungen vorkommen. Vor allem alte Hainbuchen weisen eine deutliche Spannrückigkeit des Stammes auf. Dabei bleibt das Dickenwachstum des Kambiums streifenweise zurück. An Eichen können nach äußerst strengen Frösten streifenförmige Rindennekrosen auftreten. Hinsichtlich der Verkehrssicherheit unbedeutende Einwallungen mit abgestorbenen Rindenpartien können unterhalb gekappter Äste vorkommen.
Ein dumpfer Klang beim Abklopfen der Borke ist nicht immer fäulebedingt. Bei Bäumen mit kräftiger Borkenbildung, wie zum Beispiel Robinien oder Eichen kann es sich um alte, noch fest ansitzende Borkenplatten handeln. Bei der Nachprüfung kann darunter die am intakten Holzkörper fest ansitzende, jüngere Borke festgestellt werden.
2.3 Beurteilung fäulebedingter Einwallungen
Meistens reagieren vitale Bäume auf fortschreitende Stockfäulen mit Kompensationswachstum. In gleichem Maße wie der Pilz im Stamminnern in funktionsfähige Holzbereiche vordringen kann, ersetzt sie der Baum wieder durch sein sekundäres Dickenwachstum. Findet dies in einem Gleichgewicht statt, kommt es im Laufe der Jahre zu einer allmählichen auffälligen Verbreiterung des Stammfußes. Dann ist der Baum bei allseitig gutem Zuwachs trotz der fortgeschrittenen Fäule meistens noch verkehrssicher.
Fehlendes Kompensationswachstum und fortgeschrittene Stockfäulen sind ein Hinweis auf unsichere Bäume.
3. Tiefreichende Höhlungen
Tiefreichende Höhlungen sind das offenliegende Ergebnis eines umfangreichen Holzabbaues im Baum. Die Bruchsicherheit des betroffenen Baumteiles ist sichtbar verringert.
3.1 Beurteilung tiefreichender Höhlungen
Allgemein ist bei wüchsigen Bäumen, bei allseitig gutem Zuwachs im Bereich der Schadstelle (erkennbar an den hellen Zwischenräumen zwischen den Borkenplatten) und bei kräftiger Wundkallusbildung zunächst Entwarnung gegeben.
Am kritischsten sind tiefreichende Höhlungen am Stammfuß. Allerdings besteht selbst hier nach eigener Erfahrung bei freistehenden Altbäumen mit ansonsten allseitig intaktem Stamm mit guten Zuwachsleistungen erst beim Auftreten von Pilzfruchtkörpern holzabbauender Arten und/oder bei fehlendem Kompensationswachstum Bruchgefahr.
Ein Hinweis auf verkehrssichere Bäume ist ein durch Kompensationswachstum stark verdickter unterer Stammbereich (siehe unter 2.3). Es kann sich vor allem an Rotbuchen eine regelrechte Wurzelplatte gebildet haben.
Auf eine Bruchgefahr im Bereich von Höhlungen deuten außer Pilzfruchtkörpern weitere Defektsymptome beziehungsweise hinweisende Symptome wie fäulebedingte Einwallungen oder ein abgestorbener oder nur sehr schwach ausgebildeter Wundkallus bei geringer Zuwachsleistung auf allen Stammseiten hin. Häufig ist dann keine klare Abgrenzung zwischen abgestorbenen und gesunden Rinden- und Holzbereichen vorhanden.
3.2 Restwanddicken
Bei Höhlungen bieten sich im Rahmen von Baumkontrollen verletzungsfreie Restwanddickeeinschätzungen an. Mit dem Zollstock wird die Tiefe der Höhlung gemessen und anschließend der Stammdurchmesser im Bereich der Meßstelle abgeschätzt. Die Differenz ergibt die näherungsweise Restwanddicke. Bei weitgehender Zerstörung des tragenden Querschnittes kann vor allem bei unbeschnittenen Bäumen Bruchgefahr bestehen.
Eine Berechnung der Bruchsicherheit nach Rechenformeln ist nicht Bestandteil der biostatischen Baumkontrolle. Der hohe Aufwand geht über den Rahmen einer Sichtkontrolle hinaus und es lassen sich damit nur tendenzielle Abschätzungen erzielen.
Die Tiefe von Höhlungen beziehungsweise die Restwanddicke gesunden, tragenden Holzes bis zum Erreichen der Bruchgrenze ist bei jedem Baum anders. Das Spektrum reicht von Vollholzig bis zu weniger als 1/30 Restwanddicke. Dies liegt daran, daß Bäume unterschiedliche Sicherheitsreserven aufweisen. Die Unterschiede können extrem sein. Deshalb kann es auch bei der Sichtkontrolle erforderlich sein, die Grundsicherheit des Baumes abzuschätzen, bevor Baumschäden gewichtet werden. Die Sicherheitsreserven von Bäumen werden unter anderem durch die Wuchsform bestimmt.
3.3 h/d-Verhältnisse
Im Forst wird die Stabilität von Waldbestandsbäumen näherungsweise mit dem h/d-Wert abgeschätzt. Dies ist der Wert Baumhöhe (h)/Stammdurchmesser (d). Je niedriger der Wert, desto höher die Sicherheitsreserven. Als erstrebenswert gelten auf stabilen Waldstandorten h/d-Verhältnisse kleiner als 80.
Freistehende Bäume weisen natürlicherweise wesentlich geringere h/d-Werte und höhere Sicherheitsreserven auf. Ihre h/d-Werte sind anders zu beurteilen als die von Waldbestandsbäumen. Der gekappte Naturdenkmalbaum „Hohle Eiche“ in Bad Homburg v.d.H. zum Beispiel ist rund 16 m hoch bei einem Stammdurchmesser von rund 2 m, das heißt h/d-Wert = 8, Sicherheitsreserven sehr hoch. Tatsächlich steht der Baum noch immer bruchsicher mit etwa 1/30 ! Restwanddicke (eigene Messungen verletzungsfrei vom Inneren der begehbaren Höhlung aus).
Von einem anderen Praxisfall, der diesen einfachen Zusammenhang aufzeigt, wurde unter anderem vom Verfasser in STADT UND GRÜN 7/97 berichtet. An einem mehr als 100 Jahre alten Bergahornbaum erbohrte ein anderer Baumsachverständiger in 2 unterschiedlichen Höhen Restwanddicken von 10,71 % bzw. 16,43 % des Radius. Die Arbeitsstelle für Baumstatik maß in einer nachfolgenden Untersuchung mit der Elastomethode als geringsten Bruchsicherheitswert = 3,4-fache Bruchsicherheit, bezogen auf Windstärke 12 und den Zustand der vollen Belaubung. Der Baum ist 19,80 m hoch, Stammdurchmesser in 1,3 m Höhe = 1,20 m, h/d = 16,5, d.h. hohe Sicherheitsreserven. Der Baum steht noch heute.
Ein anderes Praxisbeispiel: Drei gleichaltrige Eschen mit vergleichbarem Pilzbefall durch den Zottigen Schillerporling im Anfangsstadium wurden meßtechnisch auf Bruchsicherheit überprüft. Die zwei im Freistand gewachsenen Eschen mit h/d-Werten von rund 25 waren bruchsicher, die dritte in Konkurrenz zu anderen Nachbarbäumen schlank und hoch gewachsene Esche mit einem h/d-Wert von rund 35 war nicht mehr bruchsicher.
Die h/d-Werte sind näherungsweise leicht zu ermitteln und können helfen, die Bruchsicherheitsreserven von Bäumen besser einzuschätzen. Geringe Werte bedeuten hohe Sicherheitsreserven. Unter anderem danach ist die Gefährlichkeit von Schadsymptomen zu beurteilen. Am besten schneiden alte, freistehende Naturdenkmalbäume mit ihren dicken Stämmen ab (nach eigener Auswertung h/d-Werte zwischen 8 und 20). Wenn sie schon gekappt sind, liegt man häufig selbst bei geringsten Restwanddicken noch im „grünen Bereich“.
Für den Zusammenhang von Wuchsform und Sicherheitsreserven gilt grundsätzlich: Frei gewachsene Bäume weisen die höchsten Sicherheitsreserven auf (zumeist h/d-Wert unter 25), in Konkurrenz zu Nachbarbäumen oder Baulichkeiten aufgewachsene Bäume geringere Sicherheitsreserven (h/d-Werte über 25). Je stärker die Konkurrenzsituation, desto höher die h/d-Werte und umso geringer die Sicherheitsreserven.
3.4 Materialeigenschaften
Es ist bekannt, daß sogenannte Weichholzarten eine geringere Bruchfestigkeit aufweisen als Bäume mit hartem Holz. Die gleiche Querschnittsfläche von Eschenholz zum Beispiel trägt die doppelte Last wie die von Silberweidenholz. Die Esche darf also doppelt so stark ausfaulen bevor sie bricht.
Einige Beispielbäume und ihre Tragfähigkeiten:
Beonders tragfähiges Holz weisen Esche, Feldahorn, Platane und Stieleiche auf (höchste Tragfähigkeiten = 100 %).
Etwa 60 bis 70 % davon weisen Bergahorn, Birke, verschiedene Lindenarten, Robinie, Roßkastanie, Rotbuche, Roteiche auf.
Nur etwa 50 % davon Douglasie, Säulenpappel, Silber- und Trauerweide sowie die Zeder.
Die Materialeigenschaften des Holzes sind ebenfalls bedeutsam für die Sicherheitsreserven von Bäumen.
Zum Beispiel ergaben eigene Bruchsicherheitsmessungen an Stieleichen mit Schwefelporlingsbefall stets deren Bruchsicherheit, von den gemessenen Silberweiden mit Schwefelporlingsbefall waren dagegen nur noch rund 9 % sicher. Außer von den Materialeigenschaften hängt dies natürlich auch von der Effizienz der Abschottung der jeweiligen Baumart ab.
4. V-förmige Vergabelungen
V-förmige Vergabelungen kommen an allen Baumarten vor, insbesondere bei Laubbäumen und hier vor allem bei Silberlinden, Rotbuchen, Roßkastanien, Ahornbäumen und Kirschbäumen. Bei den V-förmigen Vergabelungen von zwei oder mehr gleichberechtigten Stämmlingen ist meistens Rinde in die Vergabelung eingewachsen, die die Holzkörper trennt und zu einer statisch schwächeren Verbindung führt. Diese Erscheinung kann auch bei stärkeren Hauptseitenästen in der Krone beobachtet werden.
Beurteilung V-förmiger Vergabelungen Es lassen sich je nach Erscheinungsbild vier Gefährdungspotentiale unterscheiden (von oben nach unten zunehmende Bruchgefahr):
4.1. Ungefährlich
V-förmige Verzweigung (eventuell mit eingewachsener Rinde). Leistenfreie V-förmige Vergabelungen sind im Regelfall noch bruchsicher.
4.2. Unter Umständen gefährlich
V-förmige Verzweigung mit eingewachsener Rinde und Leistenbildung. Im Laufe der Jahre bildet sich durch das sekundäre Dickenwachstum der Stämmlinge gegeneinander eine Leiste an der Nahtstelle. Die Stämmlinge drücken sich immer stärker auseinander und das Moment aus Eigengewicht x der Auslenkung wird immer größer. In diesem Stadium kann bereits Bruchgefahr bestehen. An Standorten mit hohem Gefährdungspotential empfiehlt sich daher der Einbau einer Gurtsicherung.
4.3. Gefährlich
V-förmige Verzweigung mit eingewachsener Rinde und Leistenbildung sowie Wassertasche. Als Folge des immer stärkeren Gegeneinanderwachsens der Stämmlinge auf immer größerer Breite entsteht auf den Innenseiten ein Versorgungsschatten mit der Folge einer Einbuchtung. Dies führt im Laufe der Jahre zum Entstehen einer Wassertasche. Der Verfasser empfiehlt spätestens in diesem Stadium den Einbau von Gurtsicherungen oder notfalls Rückschnitte. Der Versorgungsschatten wird mit dem weiteren Wachstum der Stämmlinge immer breiter und die Anbindung der Stämmlinge untereinander immer schwächer. An ausgebrochenen V-Zwieseln kann oftmals ein kegelförmiger Aufbau der Wassertaschen beobachtet werden.
4.4. Gefahr im Verzug
Eine weitere Steigerung ergibt sich, wenn der Holzkörper im Bereich der Nahtstelle bereits eingerissen ist und/oder wenn Pilzfruchtkörper und/oder tiefreichende Höhlungen im Bereich der Gabelung ausgebildet sind.
Bei bereits gekappten Bäumen ist das Gefahrenpotential durch die verringerte Windlast vermindert. U-förmige Vegabelungen gleichberechtigter Stämmlinge sind nicht ausbruchgefährdet.
5. Angebrochene Äste oder Stämme
5.1 Angebrochene Äste
Gar nicht so selten kann man in Baumkronen angebrochene Äste feststellen. Angebrochene Äste sind auf den ersten Blick außer an möglichen Laubverfärbungen an der abweichenden Aststellung erkennbar. Bei genauerem Hinschauen (Fernglas!) läßt sich dann die Bruchstelle erkennen. Solche Äste sind zu kappen beziehungsweise zu beseitigen.
Ein hinweisendes Symptom:
Manchmal wachsen untere Äste am Baum aus dem ansonsten weitgehend geschlossenen Kronenbild heraus. Es hat sich eine konkurrierende Teilkrone entwickelt, weil die Dominanz der Oberkrone nicht ausreichte. Häufig zweigen diese überlastigen Starkäste zunächst waagerecht vom Stamm ab, krümmen sich anschließend stark nach oben und wachsen relativ steil nach oben. Bei diesen Ästen ist vor allem im Bereich der Krümmung auf Rißbildungen als Hinweis auf einen Astanbruch zu achten. Wird dort ein durch den Holzkörper durchgehender Längsriß festgestellt, besteht Bruchgefahr. Bei Leistenbildungen kann es sich um alte, bereits wieder verheilte Risse handeln.
Wenn möglich, ist eine angebrochene konkurrierende Teilkrone mit einem Gurtsicherungssystem zu sichern. Der angebrochene Starkast sollte zugleich insbesondere in der Höhe eingekürzt werden. Durch die verringerte Windlast wird die Bruchgefahr verkleinert und die Ausweitung des Risses vermieden. Außerdem wird das weitere Bestreben des Astes zur Bildung einer Teilkrone unterdrückt.
Abbildung 16 zeigt die Ausbildung einer konkurrierenden Teilkrone an einer Fichte. Der Starkast ist im Bereich der Krümmung nach oben bereits eingerissen. Die beschriebene Ausbildung konkurrierender Teilkronen alleine ist kein eindeutiges Schadsymptom. Bruchversagen kommt nur selten vor.
5.2 Angebrochene Stämme
Bei schlanken und hohen Bestandsbäumen in Parkanlagen (hohe h/d-Werte) sowie an schiefstehenden Bäumen ist vor allem im Bereich zwischen den Wurzelanläufen und darüber auf Rißbildungen, meist auf mehreren Stammseiten, die bis tief in den Holzkörper reichen, zu achten. Diese sind ein Hinweis auf angebrochene Baumstämme. Die Krone angebrochener Bäume kann sich auf Nachbarbäume stützen. Bäume mit angebrochenen Baumstämmen sind zu beseitigen.
6. Verlassene Spechthöhlen
Spechthöhlen können vor allem an Bäumen in Parkanlagen an stärkeren Ästen oder am Stamm festgestellt werden. An Straßenbäumen abseits von größeren Baumbeständen sind sie eine Ausnahmeerscheinung.
Das Zimmern von Nisthöhlen ist bei den Spechten eine alljährlich wiederkehrende Triebhandlung. Zunächst treiben sie an vielen Bäumen kleine Einschläge in die Stämme. Diese Miniaturhöhlen (Spielnester als Teil des Balzrituales) sind von der Bruthöhle zu unterscheiden.
Manchmal werden die Bruthöhlen von allen Spechtarten, mit Ausnahme des Grünspechtes, in kerngesunden Bäumen gezimmert. Meistens sind sie im urbanen Bereich jedoch in Bereichen weicheren Holzes, das heißt im Bereich von Faulstellen, zum Beispiel unterhalb alter Starkastkappungen, angelegt.
Der häufigste Specht und regelrechter Kulturfolger ist der Buntspecht. Buntspechtwohnungen haben einen Durchmesser von 15 bis 17 Zentimetern und eine Tiefe bis zu 30 Zentimeter. Das Flugloch mißt 4-5 cm im Durchmesser und ist fast kreisrund.
Wesentlich seltener ist der Grünspecht, dessen Bruthöhle einen Durchmesser von 20-25 cm bei einer Tiefe von etwa 40-50 cm hat. Das Flugloch mißt 8 cm und ist oval. Selbstgezimmerte Bruthöhlen werden immer in ausgefaulten Baumstämmen angelegt.
Die Höhle des seltenen Grauspechtes ist etwas kleiner als die des Grünspechtes, auch in gesundem Holz.
Die kleinste Bruthöhle benötigt der seltene Kleinspecht, die er vor allem in Weichhölzern angelegt. Andere Spechtarten kommen nur innerhalb größerer Waldgebiete vor.
Beurteilung von Spechthöhlen
Die Gefährlichkeit von Spechthöhlen in Bäumen wird häufig überschätzt. Spechtlöcher, die als Teil des Balzrituales angelegt werden, sehen vom Boden aus betrachtet wie eine Spechthöhle aus. Sie reichen jedoch nicht tief und werden sowohl in gesundem als auch faulem Holz angelegt. Überhaupt sind Spechthölen kein sicheres Indiz auf ausgedehnte Stammfäulen, da die Bruthöhlen mitunter auch in gesundem Stammholz angelegt werden. In der Regel hat es der Baumkontrolleur mit Buntspechthöhlen zu tun, die im Schnitt nur 16 cm Durchmesser aufweisen.
Neu angelegte und bewohnte Spechthöhlen alleine sind daher nicht gleichzusetzen mit Bruchgefahr. Dem Verfasser ist kein Fall bekannt, bei dem eine von Spechten bewohnte Bruthöhle bruchauslösend war. Die „Zimmerleute des Waldes“ haben offenbar das richtige Gespür für Baumstatik.
Anders verhält es sich, wenn die Höhlen bereits viele Jahre alt und nicht mehr von Spechten bewohnt sind. Ausgehend von den Höhlungen kann sich im Laufe der Jahre eine umfangreiche Fäule entwickeln (hier gilt das gleiche wie unter dem Kapitel „tiefreichende Höhlungen“ aufgeführt). Die Bruchsicherheit von Spechthöhlen ist im Rahmen der Durchführung von Baumkontrollen deshalb so schwierig zu beurteilen, da sie sich meistens hoch oben in den Baumkronen befinden.
Bei regelmäßig durchgeführten Baumkontrollen kann das Alter von Spechthöhlen bestimmt werden. Einen weiteren Hinweis auf fortgeschrittene Holzzersetzung können Bienen-, Wespen- oder Hornissenstaaten geben, die die Höhlen bewohnen. Dann kann Bruchgefahr bestehen und eine weitergehende Untersuchung oder präventive Maßnahmen, wie der Einbau von Gurtsicherungssystemen, sind erforderlich.
Bruchsicherheitsmessungen an einer in Konkurrenz zu Nachbarbäumen schlank und hoch gewachsenen Eiche ergaben im Bereich einer alten, verlassenen Spechthöhle Bruchgefahr.
7. Totäste in der Krone
Je nach der Länge des Totastes, seiner Dicke, der Fallhöhe und dem Gefährdungspotential sind Totäste zu beseitigen, da sie bekanntermaßen bruchgefährdet sind. Astdurchmesser bis zu etwa 3 cm an der Basis können in der Regel in der Krone belassen werden, bei geringem Gefährdungspotential und/oder geringer Fallhöhe auch dickere Äste. Im Winter können Totäste an der verringerten Feinastigkeit, den fehlenden Knospenanlagen sowie gegebenenfalls an der abblätternden Rinde erkannt werden.
Die Ausbildung von Totästen hat verschiedene Ursachen. Totäste im unteren Kronenbereich oder im Kronenkern sind durch Lichtmangel bedingt, während Totäste im oberen Kronenbereich und in der Kronenperipherie ein Anzeichen einer nachlassenden Vitalität sind. Frisch abgebrochene Äste, die in der Krone liegengeblieben sind, können an der Verfärbung des Laubes beziehungsweise der abnormalen Aststellung erkannt werden.
8. Stammnahe, konzentrisch verlaufende und aufklaffende Bodenrisse
Dieses seltene Schadbild kann nach Starkwindereignissen vor allem auf vernäßten, bindigen Böden beobachtet werden. Außer dem Rißbild geben die Bewegungen des Wurzeltellers und der Risse unter Windeinfluß Hinweise auf den Schaden. Die gelockerten Bäume können einen leichten Schiefstand aufweisen. Dann ist stets Gefahr im Verzug.
Verwechslungsgefahr: Schwundrisse auf bindigen Böden bei Austrocknung, Anhebungen von Wegebelägen oder verdichteten Böden durch sekundäres Dickenwachstum der Wurzeln.
Im nachfolgenden 3. Teil werden hinweisende Symptome / Anzeichen vorgestellt und ihre Bedeutung für die Baumstatik erläutert.
Das Literaturverzeichnis ist am Ende des vorangehend veröffentlichten Teils 1 des Beitrages aufgeführt.
Veröffentlicht in STADT UND GRÜN, Heft 9 (2000), S. 625-633, Patzer-Verlag