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Teil 3 – Hinweisende Symptome/Anzeichen und ihre Bedeutung für die Baumstatik

Veröffentlicht in STADT UND GRÜN, Heft 10 (2001), S. 702-707, Patzer-Verlag

Vorhersehbare statikrelevante Baumschäden können an den acht im 1. und 2. Teil des Aufsatzes beschriebenen eindeutigen Schadsymptomen erkannt und ihre Gefährlichkeit anhand von verschiedenen Ausprägungen der Baumgestalt bestimmt werden. Sie sind allerdings nicht immer leicht zu entdecken und zu bestimmen.

Verschiedene Symptome/Anzeichen am Baum sowie im Baumumfeld können auf das mögliche Vorhandensein eindeutiger Schadsymptome und statikrelevante Schäden hinweisen.

Solche hinweisenden Symptome/Anzeichen sollten daher den Baumprüfer veranlassen, besonders sorgfältig zu untersuchen. Keinesfalls darf der Trugschluß entstehen, daß die nachfolgend aufgeführten hinweisenden Symptome/Anzeichen eindeutige Hinweise auf statikrelevante Schäden sind.
Meistens weisen Bäume mit hinweisenden Symptomen/Anzeichen keine eindeutigen Schadsymptome auf und sind verkehrssicher. Auf die seltenen Ausnahmen wird im Text hingewiesen.

Baulichkeiten

Es ist banal, diesen Punkt als hinweisendes Anzeichen für Baumkontrollen an Altbäumen im städtischen Bereich aufzuführen. Jeder Straßenbaum ist davon betroffen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, daß Leitungstrassen (erkennbar an Schachtdeckeln), Wegebeläge, Bordsteine, Mauern etc. Hinweise auf zurückliegende und bedeutsame Wurzelschäden sein können. In der Regel haben die Bäume dies -falls überhaupt bedeutsame Eingriffe in die Baumsubstanz erfolgt sind- hinsichtlich der Baumstatik verkraftet. Sie sind verkehrssicher.

Abb. 19 zeigt deutlich, daß Baulichkeiten im Standraum von Bäumen kein sicherer Hinweis auf statikrelevante Wurzelschäden sind. Die Eiche in dem Hochbeet war laut Meßergebnis standsicher.

Schiefstand/Bodenaufwölbung

Ist keine Ursache für den Schiefstand erkennbar (benachbarte Gebäude, Bäume etc.), kann Kippgefahr vorliegen. Dann ist zunächst die Krone zu betrachten. Ist der obere Kronenbereich einschließlich des Leittriebes ebenfalls schiefstehend, ist von einem gelockerten Baum und Kippgefahr auszugehen.

Der Verdacht kann erhärtet werden, wenn der schrägstehende Stamm kein Reaktionsholz ausgebildet hat (Messung der Ovalisierung mit Zollstock oder im Rahmen einer Nachuntersuchung mit Kluppe).

Hat sich der Stamm beziehungsweise der obere Kronenbereich mit dem Leittrieb nach anfänglich schrägem Wachstum wieder aufgerichtet, kann zunächst Entwarnung gegeben werden.

Bodenaufwölbungen an schiefstehenden Bäumen vor allem auf unversiegelten Standorten können ebenfalls ein Hinweis auf einen gelockerten Wurzelteller sein. Der Verfasser hat sowohl sichere als auch unsichere schiefstehende Bäume, jeweils zum Teil mit starken Bodenaufwölbungen, gemessen.

In einem Praxisfall hatte ein Baumkontrolleur eine statikrelevante Bodenaufwölbung mit Hilfe eines Eisenstabes erkannt. In dem Hohlraum unter der Anhebung war kein Widerstand feststellbar. Da der Baum bereits vor der Lockerung schief gestanden hatte, war der Stamm ovalisiert.

Schiefstehende Bäume mit der Ausbildung eindeutiger Schadsymptome sind besonders kritisch zu bewerten. Bei Bodenvernässung auf bindigen Böden ansonsten trockener Standorte kann es in seltenen Fällen zum Kippversagen schiefstehender Bäume kommen. Dies ist nicht vorhersehbar.

Adventivwurzeln

Adventivwurzeln werden als Ersatz für den Verlust von Wurzeln, zum Beispiel nach Abgrabungen, gebildet. Das Freilegen von Baumwurzeln ist nicht Bestandteil von Baumkontrollen. Auf offenen Böden sind jedoch manchmal oberflächennah Wurzeln durch abfließendes Regenwasser freigespült.

Das gehäufte Auftreten von Adventivwurzeln am Stammfuß nahe der Bodenoberfläche kann ein Hinweis auf starke Bodenverdichtung oder mögliche Verluste statikrelevanter Wurzeln und fortgeschrittene Fäulen sein. Die nachträglich gebildeten Adventivwurzeln können an dem auffälligen stammnahen Wurzelgeflecht, der helleren Rinde und den geringeren Wurzeldicken im Vergleich zu den ursprünglichen Wurzeln erkannt werden. Außerdem besteht kein fließender Übergang zwischen Wurzeln und Stamm.

An eingefüllten Bäumen können sich am Stamm Adventivwurzeln entwickeln. Adventivwurzeln können sich auch in Höhlungen und in den Wassertaschen von V-Zwieseln bilden.

Stock-/Stammaustriebe

Diese können natürlicherweise an vielen Laubbaumarten, vor allem an Linden oder Ulmen, vorkommen. Bei nachlassender Vitalität, wenn die oberen Kronenbereiche nicht mehr ausreichend versorgt werden können, bilden viele Baumarten ebenfalls Stock-/Stammaustriebe aus.

Auch wenn Vitalität und Verkehrssicherheit differenziert betrachtet werden müssen (siehe nachfolgenden Text unter „absterbende obere/ periphere Kronenteile…“) sind Stock- / Stammaustriebe ein Hinweis zur besonders gründlichen visuellen Untersuchung auf die Ausbildung eindeutiger Schadsymptome.

Stammfußverdickung

Bei den meisten Bäumen ist der Stammfuß natürlicherweise im Bereich der Wurzelanläufe verdickt. Eine außergewöhnliche Verdickung kann ein Hinweis auf fäulebedingtes Kompensationswachstum des Baumes sein. Solange keine eindeutigen Schadsymptome festgestellt werden, sind Stammfußverdickungen hinsichtlich der Verkehrssicherheit ohne Bedeutung.

Verwechselungsmöglichkeiten: Auf flachgründigen Standorten mit geringer Eindringtiefe für die Wurzeln können Bäume eine starke Verbreiterung des Stammfußes aufweisen. Dies ist nicht fäulebedingt.

Bei veredelten Bäumen kann der untere Stammbereich durch eine wüchsigere Unterlage verdickt sein. Die alte Veredelungsstelle kann noch als ringförmiger Einschnitt in der Rinde erkennbar sein. Der umgekehrte Fall, eine Verjüngung des unteren Stammbereiches, ist ebenfalls ein Hinweis auf eine Veredelungsstelle.

Veredelungsstellen

Siehe unter „Stammfußverdickung“. Selten kann es vorkommen, daß Altbäume mit schlecht verwachsenen Veredelungsstellen brechen. Diese Form des strukturell bedingten Baumversagens ist für den Baumkontrolleur nicht vorherzusehen, es sei denn, ein eindeutiges Schadsymptom wie ein tief in den Holzkörper reichender Riss ist im Bereich der Veredelungsstelle ausgebildet.

Ameisennester im Stamm/Holzmehl

Das massenweise Auftreten von Ameisen am Stammfuß und Stamm deutet auf das Vorhandensein von Nestern im Holzkörper des Baumes hin. Meistens werden die Nester in geschädigtem Holz angelegt. Das Vorhandensein von Holzmehl ist ein weiterer Hinweis auf die Bautätigkeit der Insekten im Stamm und vorhandene Stammschäden.

Holzmehl, meistens unterhalb von Bohrlöchern, kann auch auf die Tätigkeit anderer holzbewohnender Insekten und Holzschäden hinweisen.

Nässende Schäden/Ausfluß/Harzfluß

An Laubbäumen, besonders häufig an Roßkastanien, kann in Verbindung mit Verletzungen ein Ausfluß, an Nadelbäumen außerdem Harzaustritt, festgestellt werden. Es können verdeckte Risse / Fäulen vorliegen.

Besonders beim Vorkommen an der Nahtstelle unterhalb von V-Zwieseln und an intakt erscheinenden Stämmen ohne sichtbare Holzschäden ist Vorsicht geboten (Hinweis auf verdeckte Risse).

Ansonsten ist Ausfluß und Harzfluß meistens eine hinsichtlich der Bruchsicherheit unbedeutende Begleiterscheinung von offen liegenden Baumwunden. Dennoch ist eine besonders gründliche Untersuchung auf die Ausbildung eindeutiger Schadsymptome erforderlich.

Häufig siedeln sich Bakterien auf dem verletzungsbedingten Ausfluß von Laubbäumen an. In der Folge können sich krustige, meist hell gefärbte Überzüge bilden. Dies ist eine für den Baum und die Baumsicherheit ungefährliche Begleiterscheinung.

Eine Verwechslungsmöglichkeit mit verletzungsbedingten Ausfluß sind feuchte und dunkel gefärbte Rindenpartien durch am Stamm herablaufendes Regenwasser.

Partielles übermäßiges Kompensationswachstum

Siehe unter 2.1. im 2. Teil.

Abgestorbener oder nur schwach ausgebildeter Wundkallus

Ist im Bereich großer Schadstellen, insbesondere am Stammfuß, ein abgestorbener oder nur sehr schwach ausgebildeter Wundkallus ausgebildet, ist manchmal keine klare Abgrenzung zwischen abgestorbenen und gesunden Rinden- und Holzbereichen vorhanden. Dies geht meistens mit fehlendem Kompensationswachstum einher.
Dann kann Bruchgefahr bestehen.

Eingebaute Gewindestangen/alte Plomben

Im Bereich von Zwieseln sowie in Höhlungen sind manchmal Stahlgewindestangen mit der Absicht der Stabilisierung eingebaut. Beim Vorhandensein in Höhlungen ist von besonders ausgedehnten Fäulen auszugehen.

Dies hat folgende Ursachen: Zum einen werden Verbolzungen seit Ende der 80-er Jahre kaum noch verwendet, da damals ihre Wirkungslosigkeit in Stammhöhlungen nachgewiesen wurde. Es handelt sich also um alte Schäden.

Zum anderen wurden damals noch begleitende baumchirurgische Maßnahmen durchgeführt, das heißt vor allem die Stammhöhlungen wurden bis in das gesunde Holz ausgefräßt. Die damit verbundene Zerstörung der baumeigenen Schutzholzzonen führte zusammen mit den Durchbohrungen zu einer Schwächung der Bäume und Förderung des Pilzwachstumes.

Bäume mit Höhlungen und Stammverbolzungen sind besonders sorgfältig auf die Ausbildung eindeutiger Schadsymptome zu überprüfen.

V-Zwiesel mit eingebauten Verbolzungen sind zusätzlich mit Gurtsicherungen zu sichern, da die Stahlgewindestangen im Stammkopf meistens weitgehend wirkungslos sind. Von den Durchbohrungen ausgehend hat sich eine mehr oder weniger umfangreiche Fäule entwickelt, die die Verbindung der V-Zwiesel zusätzlich schwächt.

Sind außerdem alte Kronenverankerungen vorhanden, sollten diese nicht ausgebaut werden. Wenn möglich, sind zusätzlich Gurtsicherungen einzubauen.
Genauso wie Verbolzungen sind Plomben in Öffnungen des Holzkörpers, die bis in die 70-er Jahre verwendet wurden, ein Hinweis auf alte Stammausfaulungen und zurückliegende umfangreiche baumchirurgische Maßnahmen.

Bäume mit Plomben sind ebenfalls besonders sorgfältig auf die Ausbildung eindeutiger Schadsymptome zu überprüfen.

Anfahrschäden/oberflächliche Wunden am Holzkörper

Anfahrschäden werden ebenso wie andere oberflächliche Verletzungen des Holzkörpers effektiv abgeschottet, da nur die äußeren reaktionsfähigen Jahrringe von der Verletzung betroffen sind (dies gilt nicht für Astungswunden). Häufig versperrt auch noch viele Jahre nach der Verletzung ein fester, toter Holzkörper den Einblick in die Wunde.

Hinsichtlich der Verkehrssicherheitsbeurteilung gilt das gleiche wie unter 2.3 und 3.1 im 2. Teil aufgeführte. Insbesondere alte Verletzungen am Stammfuß sind genau zu untersuchen.

Wundleisten/Frostrisse

Verschiedene Ursachen führen zur Ausbildung von auffälligen Rippen am Stamm: Radialrisse können im Faserverlauf der Bäume mehrere Meter lang sein und gehen von alten Kambiumverletzungen oder zentralen Stammfäulen aus. Erreichen sie nach Jahren den Rindenmantel, setzen Überwallungvorgänge ein und es entsteht eine Wundleiste.

Nach eigener Erfahrund sind Wundleisten hinsichtlich der Bruchsicherheit ohne Bedeutung, wenn sie verheilt sind. Bislang bestand nur in einem Fall an jährlich immer wieder unter Frosteinwirkung aufgeplatzten und gehäuft auftretenden alten Wundleisten an Roßkastanien Bruchgefahr.

Weitere Ursachen der Rippenbildung an Bäumen sind Ringrisse, auch Ringschäle genannt, sowie Narben als Folge zurückliegender überwallter Kambiumschäden.

Manchmal können Wundleisten am Stamm -wie bereits erwähnt- durch eine weit fortgeschrittene Holzzersetzung im Bauminnern bedingt sein. Dann kann Bruchgefahr bestehen.

Wundleisten an konkurrierenden Teilkronen im Bereich der Astkrümmung nach oben sind ein Hinweis auf angebrochene Äste.

Wundleisten an den Stämmlingen vor allem von Roßkastanien als Folge zeitlich zurückliegender Kappungen deuten auf eine weit fortgeschrittene Fäule hin. In solchen Fällen kann Bruchgefahr bestehen.

Konkurrierende Teilkronen/Überlastige Äste

Siehe unter 5.1, 2. Teil.
Überlastige Äste wachsen aus dem weitgehend geschlossenen Kronenbild heraus. Außer auf Risse im Astverlauf ist auf Leistenbildungen und auf die Stabilität der Astanbindung zu achten. Bei hohem Gefährdungspotential zum Beispiel auf belebten Plätzen empfiehlt sich manchmal der präventive Einbau von Gurtsicherungen.

Wespen-/Bienen- oder Hornissennester

Diese werden in alten Spechthöhlen und anderen Höhlungen angelegt und sind ein Hinweis auf fortgeschrittene Holzzersetzung. Häufig werden Höhlungen hoch oben in der Krone erst durch die rege Flugtätigkeit der Insekten bis in den Herbst hinein erkannt.

Vor allem an schlank und hoch gewachsenen Bestandsbäumen kann dann Bruchgefahr bestehen.

Ständer oder Reiterationstriebe

Sie stellen eine der größten Herausförderungen für den verantwortungsbewußten Baumkontrolleur dar und werden an Kappungsstellen hoch oben in der Krone ausgebildet. Nach Kappungen bilden sich aus schlafenden Augen neue Triebe zum Ausgleich des Verlustes der verloren gegangenen Baumteile.

Auf der einen Seite werden die Neuaustriebe (Ständer) immer länger und schwerer. Auf der anderen Seite faulen die gekappten Stämmlinge, an denen die Ständer ansitzen, immer weiter aus.

Einige Erfahrungswerte zur Bruchsicherheit: Die ersten Ständer weichholziger Baumarten, wie Weiden, Pappeln und Birken, brachen etwa 5-7 Jahre nach der Kappung aus.

Bei Roßkastanien, Linden und Platanen bestand Bruchgefahr oftmals erst 15-20 Jahre nach der Kappung, bei vitalen Bäumen auch erst nach 20-30 Jahren oder später. Es waren sowohl Ständer ausbruchgefährdet als auch stark ausgefaulte Stämmlinge mit ausgeprägten Wundleistenbildungen.

Die genannten Baumarten sowie andere bilden einen kräftigen Wundkallus an der Kappungsstelle aus, der die Ständer untereinander verbindet. Eine kräftige Wundkallusbildung an den Insertionsstellen der Ständer kann mit dem Fernglas vom Boden aus erkannt werden. Es ist ein Hinweis auf sichere Ständer.

Ist keine kräftige Wundkallusbildung feststellbar oder werden Pilzfruchtkörper oder ungünstige, zum Beispiel V-förmige Anbindungen festgestellt, kann auch schon früher Bruchgefahr bestehen. An alten Kappungen sind deshalb im Zweifelsfall weitergehende visuelle Untersuchungen, zum Beispiel mit Hilfe einer Leiter oder eines Hubsteigers, erforderlich.

Ein meßtechnisch begleiteter Ausbruchversuch an einem etwa 13 m hohen Ständer einer gekappten Roßkastanie mit kräftiger Wundkallusbildung an der Insertionsstelle ergab hochgradige Bruchsicherheit. Der Primärbruch erfolgte bei einer Belastung von 5 Tonnen an dem dicksten Überwallungswulst.

Eine durch Bombentreffer im zweiten Weltkrieg gekappte Linde wies ausgeprägte Ständerbildungen auf und war trotz schwerer Ausfaulungen bei der Untersuchung 1999 noch immer bruchsicher.

Werden die eingefaulten Kappungsstellen durch die Wundkallusbildung verschlossen, kann der Fäulefortschritt -sofern keine anderen Öffnungen bestehen- stark eingedämmt werden. Die Zunahme der Bruchsicherheit durch Zuwachsprozesse des Baumes kann dann die Abnahme durch den Fäulefortschritt übertreffen.

Näher kann im Rahmen dieses Aufsatzes auf das komplexe Thema nicht eingegangen werden. Keinesfalls dürfen Baumkappungen verharmlost werden.

Absterbende obere/periphere Kronenteile und Blattverkleinerungen

Siehe auch unter 7, 2. Teil.

Häufig wird ein Nachlassen der Vitalität mit einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit gleichgesetzt. Versorgungsengpässe, die sich in der Krone äußern, sind zumeist hinsichtlich der Verkehrssicherheit ohne Bedeutung. Es kann sich um Gasschäden, Bodenverdichtungen, Wassermangel usw. handeln.

Statikrelevante Fäulen befinden sich zumeist in den Wurzelanläufen oder im Stamminnern. Für eine ausreichende Versorgung der Krone genügen nur wenige der jüngeren Jahrringe beziehungsweise adventiv gebildete Wurzeln. Das baumstatische Defizit äußert sich nicht in der Krone.

Vitalität und Verkehrssicherheit müssen zunächst differenziert betrachtet werden.

Erst in der Endphase einer statikrelevanten Ausfaulung kann der Fäulefortschritt zu Versorgungsmängeln in der Krone führen. Bevor es soweit kommt, kann der Schaden meistens an eindeutigen Schadsymptomen im Bereich des Stammfußes erkannt werden.

Dennoch kann ein Zusammenhang zwischen mangelnder Verkehrssicherheit und nachlassender Vitalität bestehen.

Starkwurzelkappungen führen in der Folge zu einer Holzzersetzung. Die Wirksamkeit der Abwehrmechanismen des Baumes gegen die fortschreitende Fäulnis hängt unter anderem von dessen Gesundheitszustand ab.
Bei nachlassender Vitaltät ist der Fäulefortschitt besonders stark, ein eventuelles Kompensationswachstum nur gering.
War die Fäule bereits weit fortgeschritten, kann sie bei andauernder Schwächung der Baumgesundheit innerhalb weniger Jahre verkehrsgefährdende Ausmaße annehmen.

Deshalb sind geschwächte Bäume besonders gründlich auf die Ausbildung eindeutiger Schadsymptome zu untersuchen.

Kronensicherungen/alte Kronenanker

An den Befestigungsstellen alter Kronenanker sind manchmal als Hinweis auf eine ausgedehnte Fäule Pilzfruchtkörper ausgebildet. Dann besteht Bruchgefahr.

Jahre nach dem Einbau sind die Stahlseile korrodiert und die Bruchfestigkeit verringert. Im Falle eines Stämmlingsausbruches versagen die auf längere Sicht zu dünn bemessenen Stahlseile oftmals.

Das gleiche gilt allerdings auch für Kronensicherungen mit Gurten oder Hohltauen. Selbst namhafte Produkte versagten schon im Falle von Stämmlingsausbrüchen. Kronensicherungssysteme unterliegen ebenfalls der Materialalterung und abnehmenden Bruchfestigkeiten.

Insbesondere bei großen Seillängen kann sich bei Systemen mit hoher Dehnung eine große Fallenergie aufbauen und zum Seilbruch führen.

Viele alte Kronenverankerungen weisen gestraffte Stahlseile auf. Der Einbau von Kronenverankerungen erfolgte vor allem in den 70-er und 80-er Jahren. Durch das zwischenzeitlich erfolgte Längenwachstum hat sich das Eigengewichtskraftmoment der Stämmlinge erhöht und sie haben sich regelrecht in die starren Stahlseile gehängt.

Bei eigenen Versuchen an Linden waren Zugkräfte von 800 kg erforderlich, um die Stahlseile zu entlasten. In solchen Fällen besteht bei fortschreitender Korrosion und weiter zunehmender Belastung die Gefahr des Seilbruches mit der Folge des Auseinanderbrechens der Stämmlinge.

Außerdem sind die alten Kronenanker wegen des andauernden Höhenwachstums nicht mehr in der optimalen Einbauhöhe von 2/3 über dem Scheitelpunkt. In solchen Fällen ist der zusätzliche Einbau von Gurtsicherungen erforderlich. Die Kronenanker sollten nicht ausgebaut werden.

Freigestellte Bestandsbäume

Wird ein Bestandsbaum freigestellt, das heißt ein in extremer Konkurrenz schlank und hoch gewachsener Baum mit hohen h/d-Werten, besteht meistens Kippgefahr. Typisch für Bestandsbäume ist der sehr hohe Kronenansatz (nicht zu verwechseln mit Aufastungen).

Bäume, die ihre Krone frei von Konkurrenz entfalten konnten, sind auch nach Freistellungen noch verkehrssicher.

Anhebungen von Wegebelägen, Risse in Mauern etc.

Diese werden häufig als Anzeichen für eine Lockerung des Wurzelwerkes nach Starkwindereignissen gesehen. Tatsächlich handelt es sich regelmäßig um Hinweise auf das sekundäre Dickenwachstum intakter Wurzeln. Es ist ein Anzeichen für standsichere Bäume (auf Stolpergefahr achten).

Fazit

Die biostatische Baumkontrolle unterscheidet Symptome am Baum und Anzeichen im Baumumfeld hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Stand- und Bruchsicherheit. Damit wird der Blick des Baumprüfers im „Massengeschäft“ Baumkontrolle auf das Wesentliche gerichtet.

Vorhersehbares Baumversagen geht immer mit einem der acht beschriebenen eindeutigen Schadsymptome einher, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einem verkehrsgefährdenden Defekt stehen.

Sie dürfen nicht automatisch gleichgesetzt werden mit Kipp-/Bruchgefahr, sind jedoch klare Gefahrenzeichen. Die Gefährlichkeit einiger Schadsymptome kann anhand von verschiedenen Ausprägungen der Baumgestalt genauer bestimmt werden.

Dazu müssen die Sicherheitsreserven des Baumes eingeschätzt sowie seine Reaktion auf den Holzabbau festgestellt werden. Die Grundsicherheit wird von den h/d-Werten, baumartspezifischen Materialeigenschaften und anderem bestimmt.

Die Reaktion des Baumes auf fortschreitenden Holzabbau kann am Umfang des Kompensationswachstums, der Fähigkeit zur Abgrenzung von intakten und abgetöteten Rinden- und Holzbereichen und anderem erkannt werden.

Desweiteren können zahlreiche hinweisende Symptome/Anzeichen auf ein mögliches Baumproblem hinweisen. Sie sind jedoch in der Regel hinsichtlich der Stand- und Bruchsicherheit ohne Bedeutung. Auf die seltenen Ausnahmen wurde im Text hingewiesen.

Baumversagen ist nicht immer vorhersehbar, wie eingangs erwähnt. Es können sowohl intakte Bäume versagen als auch Bäume mit Vorschäden, die bei der Sichtkontrolle nicht feststellbar waren.

Die biostatische Baumkontrolle ist seit langem praxiserprobt und beruht vor allem auf den Erkenntnissen aus statikintegrierten Zugversuchen der Arbeitsstelle für Baumstatik seit 1984 sowie Schadensfällen, die für Gerichte, Versicherungen oder Städte untersucht wurden.

Bei mehrjährigen Baumkontrollen des Verfassers beträgt die Anzahl der Problembäume im Schnitt pro Jahr nur 0,1 %, weitergehende meßtechnische Untersuchungen sowie Kappungen und Fällungen sind nur in geringer Zahl erforderlich. Schadensfälle traten bislang nicht auf.

Mit der in diesem Aufsatz vorgestellten biostatischen Baumkontrolle wurde vom Verfasser ein Handlungskonzept für die visuelle Überprüfung des Altbaumbestandes hinsichtlich der Stand- und Bruchsicherheit in der kommunalen Praxis erarbeitet.

Weitergehende Kentnisse, wie das Erkennen der Notwendigkeit zur Durchführung von

  • Kronenpflegemaßnahmen,
  • Erziehungs- und Aufbauschnitten bei Fehlentwicklungen an Jungbäumen,
  • Lichtraumprofilschnitten an Jung- und Altbäumen usw. werden vorausgesetzt.

Literaturverzeichnis siehe Teil 1 des Aufsatzes