Was ist Baumstatik?
Bäume sind natürliche Konstruktionen, die den physikalischen Gesetzen unterworfen sind. Über ihr Kronensegel, das mehr als 500 m2 groß sein kann, werden Windlasten von mehr als 3.500 kNm (dies entspricht der Masse einer Gewichtskraft von mehr als 350 Tonnen) in das Traggerüst eingeleitet. Diesen Windlasten müssen sie mit ausreichenden Sicherheiten widerstehen. Denn Windwurf bedeutet unweigerlich den Baumtod.
Hierzu haben Bäume unglaubliche Anpassungen entwickelt. Sie nutzen die gleichen physikalischen Gesetze, denen sie unterworfen sind, zur Erhöhung ihrer Stabilität:
Ihre Kronen können Luftwiderstandsbeiwerte aufweisen, von denen Autobauer träumen und ihre Stämme und Äste gewinnen mit jedem Zentimeter Dickenzuwachs ein vielfaches an Stabilität.
Der andauernde Dickenzuwachs und die Vermehrung tragender Holzzellen über das erforderliche Maß hinaus sind die Stabilitätsreserve des Baumes, die er sich für das Alter zulegt. Im Alter lassen die Abwehrkräfte des Baumes nach, er wird von Pilzen ausgehöhlt. Trotzdem ist er noch lange Zeit bruchsicher. Er zehrt von den Sicherheitsreserven, die er sich in der Jugend zugelegt hat. Sehr alte, oft als Naturdenkmal geschützte Bäume, sind häufig mit nur noch mit wenigen Zentimetern Restwanddicke bruchsicher.
Die Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen, das heißt die Baumstatik, ist messbar. Zuerst ist die Windlast zu ermitteln, die der Baum im Sturm aushalten muss. Dann „spielt ein Stahlseil Sturm“: An dem Baum wird bis etwa Windstärke 8 mit definierter Kraft gezogen. Gleichzeitig messen spezielle Neigungs- und Dehnungsmessgeräte genau das, was die Baumstabilität bestimmt: Die Verankerungskraft des Wurzel-Erde-Verbundes und die Tragfähigkeit des (ausgehöhlten) Baumstammes.